So entwickelst Du Deine Angst zur echten Chance (1)


Angst
Schritte auf dem Flur. Schwer. Laut. Energisch.

Jetzt kommt er.

Jetzt macht er’s.

Ein tiefer Seufzer entringt sich mir.

Jetzt.

Meine Schultern bewegen sich scheinbar von selbst zu den Ohren hoch.

Verkrampft.

Starr.

Mein Herz schlägt schneller.

Ich atme tief durch.

Jedes Mal das gleiche!

Es knallt. Wie immer.

Ich zucke zusammen. Wie immer.

Und bekomme gleichzeitig Wut.

Darüber, wie er auftritt.

Darüber, wie ich mich behandeln lasse.

Darüber, abhängig zu sein.

Das knallen kommt von der Türklinke. Mein Chef steht in der Tür. Groß, dick, laut.

Jetzt, wo er da ist, senken sich die Schultern wie von selbst. Ich entspanne mich. Bin aber auf der Hut. Bei ihm weiß man nie.

Wenn ich doch bloß diese Angst nicht immer hätte.

Eigentlich ist er ja o.k., oft sogar sehr nett.

Nur laut. Und unberechenbar.

 

Das war einer meiner Vorgesetzten, ein Brüller. Zugegeben, ich war noch jung, schüchtern und war es nicht gewohnt, kontrolliert zu werden. Doch auf die Angst bei seinen Auftritten hätte ich verzichten können. Damals wusste ich nicht, was ich dagegen tun könnte.

Als ich später etliche Gespräche mit Kollegen hatte, lernte ich, dass sehr viele Leute in bestimmten Situationen Angst haben. Und, dass die meisten sich eine Taktik zurechtlegen, wie sie am besten damit umgehen.

Maria, eine etwas ältere Kollegin aus Italien, meinte strahlend: „Angst ist doch gut. Da bleibe ich aufmerksam und mache keine Fehler!“

Ich musste lachen und sagte: „Ja, so kann man es auch sehen.“

Aber hatte sie recht? Ich wollte mehr wissen.

Was ist Angst? Was passiert im Körper? Was sagt ein Arzt dazu?

Kann ich diese Warnreaktion wirklich positiv nutzen?

 

Angst – was ist das eigentlich?

Angst ist ein Gefühl, dass es mindestens solange gibt, wie es die Spezies Mensch gibt. Und, das die gesamte Evolution überdauert hat. Ein Gefühl, das ganz einfach vor Gefahren warnt, die Leib und Leben bedrohen. Und uns möglichst – unter anderem durch das Hormon Adrenalin – schnell reagieren lässt.

Waren es in Urzeiten vielleicht eher Ängste vor Naturgewalten und Tieren, sind es jetzt ganz vielschichtige Ängste. Durch die Schnelllebigkeit entstehen in kurzer Zeit viel mehr „gefährliche“ Situationen, die einzeln oder häufig zusammen genommen, Ängste verursachen.

Z.B. Angst vor Flugreisen, Autofahrten, Gesprächen mit dem Vorgesetzten, Auftritten, Arbeitsplatzverlust, Zahnarztbesuch, Mobbing, Höhe, Armut, etc.

Früher reagierten die Menschen entweder mit Angriff oder mit Flucht. Dazwischen gab es nichts. Nach überwinden der Angstsituation trat dann die Entspannung ein.

Wenn Du heute Angst vor Deinem Chef hast, solltest Du ihn eher nicht angreifen…

Und flüchten kannst Du leider auch nicht, jedenfalls nicht weiter, als in das Nachbarbüro oder auf die Toilette.

Ein Umstand, der nicht selten zu Komplikationen führt. Denn die Entspannung nach der Stresssituation tritt so gar nicht oder nur unzureichend ein. Du bleibst auf hab-acht-Stellung. Körperlich bist Du weiterhin angespannt.

Das kann über kurz oder lang zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder gar ernsthaften Erkrankungen führen.

„Ich habe oft das Gefühl, immer mehr Angst zu haben.“

In Deinem Job musst Du heute ständig wechselnden Anforderungen gerecht werden. Laufend ändern sich die Vorgaben. Um den Mitbewerbern Paroli bieten zu können, den Aktionären oder gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Du musst schneller arbeiten, noch fehlerfreier, noch freundlicher sein, neue Arbeitsabläufe viel schneller erfassen und korrekt umsetzen. Entlassungen, Umstrukturierungen, Übernahmen, Verkäufe sollst Du einfach so wegstecken. Nie krank sein und immer hochmotiviert.

Dazu bekommen wir ein Vielfaches an Informationen über alle nur erdenklichen Wege. Radio und TV sind hier schon fast veraltet. PC, Smartphone, smartwatch, skype, email, RSS-Feed, Zeitschriften, Zeitungen… fluten ständig unseren Aufnahmekanal.

Und da wir viele Möglichkeiten haben, immer auf dem neuesten Stand zu sein, möchten wir diese natürlich auch nutzen. Noch ein Blog, noch einen Newsletter abonniert, noch ein Börsendienst in der Lezeichenliste. Verlockende Angebote, reißerische Versprechungen, heilsbringende Gurus, fadenscheinige Steuertipps, ….

Irgendwann sind wir schlicht dicht. Und verarbeiten die Informationen gar nicht mehr. Dennoch haben wir oft ein schlechtes Gefühl, Lesezeichen wieder zu löschen oder Abos zu stornieren. Wir könnten ja etwas verpassen.

Viele entscheiden sich an diesem Punkt dafür, auf Nachrichten im Fernsehen oder Radio zu verzichten. Die Infos über Krieg, Steuern und Co. belasten häufig nur.

Wo ist der Mehrwert? Die Halbwertzeit dieser belastenden Infos ist ohnehin sehr kurz.

 

„Was hat das jetzt mit meinen Ängsten zu tun?“

Dass vermeintlich leichtverdauliche mediale Informationen gar nicht leichtverdaulich sind, sondern gesundheitlich negative Spuren hinterlassen, ist inzwischen bekannt.

Zu Deinem alltäglichen Stress kommt also noch der mediale Müll und all das, was heute an Anforderungen durch geschäftspolitische Entscheidungen entsteht (bei Fusion, Umstrukturierung, etc.).

Und diese Mixtur belastet. Nicht einmal, sondern ständig.

Und aus diesem Gefühl, Du seiest dauerhaft belastet bzw. gar überlastet, resultiert sehr schnell Dein Gefühl von Unsicherheit. Und später von Angst.

Oft merkst Du gar nicht, aus welcher Ecke die latente Angst plötzlich kommt.

Das können auch ganz normale Erlebnisse Deines Lebens sein, die Du nicht richtig verarbeitet hast.

Meine beste Freundin z.B. ist eine klasse Autofahrerin. Sie fährt gut, schnell und reagiert auch in Gefahrensituationen einwandfrei. Nur als Beifahrerin ist sie eine Katastrophe.

Schon ab einer moderaten Geschwindigkeit von 130 km/h auf der Autobahn wird sie nervös und blass. Fährt man schneller, wird sie regelrecht panisch.

Wenn ich sie frage, woher das kommt, weiß sie es nicht. „Es war irgendwann da, kurz nach meiner abgeschlossenen Ausbildung“.

 

Solche „Überraschungen“ kenne ich bestens

Ich war Mitte 20 und mit meinem Lebensgefährten in der Eifel. Tolle Landschaften, alte Bauwerke.

In einer dieser vom Krieg und der Zeit angenagten Burgen führte eine Treppe zum ersten Stock hinauf. Eine lange Treppe wie aus „Vom Winde verweht“ – extrem breit und monumental.

Wir machten uns einen Spaß daraus, wie ein Fürstenpaar die Treppe hochzuschreiten und stellten uns vor, ich hätte ein rauschendes Ballkleid an, mein Partner einen schwarzen Frack.

Die Aussicht oben war sensationell. Wir hatten freie Sicht über die Eifler Maare, über die Wälder bis nach Koblenz.

Unten waren noch ein paar Wildtiere zu besichtigen. Wir gingen also auf die Treppe zu, mein Partner voran. Die erste Stufe. Rechts war eine riesige Steinwand, sicher einen Meter dick. Links, gab es keine Wand mehr. Da die Treppe aber gut 4 Meter breit war und ich mich an der Wand hielt, sah ich keinen Abgrund. Das war bei meiner Höhenangst auch besser so.

2. Stufe. Mein Partner war schon ein paar Stufen weiter. Irgendwas stimmte nicht. Ich spürte, wie mein Herz schneller schlug. Ich spürte Beklemmung. Ich spürte Kälte in mir hochkriechen. Meine Finger waren plötzlich merkwürdig kalt. Ich wollte meinen Fuß auf die nächste Stufe setzen – keine Chance. Mein Körper hörte irgendwie nicht mehr auf mich. Ich griff mit der rechten Hand nach der Steinwand. Sie war kühl und trocken, die Felsbrocken gaben Sicherheit. Aber es reichte nicht.

Ich rief nach meinem Partner. Er kam mit einem besorgten Gesichtsausdruck. „Was ist los?“. „Ich weiß es nicht, ich kann die Treppe nicht runter. Ich hab Angst!“. Mein Atem ging jetzt stoßweise. „Gib mir die Hand.“ „Nein, das geht nicht!“ Jetzt wurde ich panisch. Ging mit letzter Kraft die 2 Stufen wieder hoch und setzte mich auf den Boden.

Die fehlende linke Wand war es. Obwohl ich den Abgrund gar nicht sehen konnte, hatte ich panische Angst. Mein Partner sprach beruhigend auf mich ein. Ich versuchte es erneut.

2.Stufe – keine Chance. Sie schien mich buchstäblich anzusaugen. Der Abgrund auch.

Er sagte „Mach die Augen zu. Ich nehme Deinen Arm, bin neben Dir, Du kannst nicht fallen.“ Es gab keine andere Möglichkeit. Ich machte die Augen zu.

Viel zu breite Stufen, endlose 30 Stufen. Der Schweiß lief mir die Stirn herunter.

Irgendwann waren wir unten. Ich war völlig fertig.

Und bin von da an 10 Jahre lang keine großen Treppen und keine Treppen mit durchsichtigen Stufen gelaufen. Selbst Rolltreppen waren zeitweise nicht möglich.

Ein Arzt sagte nur trocken: „Da hat die Seele Hilfe geschrien. Sie haben etwas nicht verarbeitet, sondern sind wahrscheinlich mit Volldampf darüber weggegangen.“ Ja, das war ganz offensichtlich.

Nach ein paar Alpträumen vom Tod meines Vaters, der ganz plötzlich gestorben war, wusste ich auch was. Da hatte ich mich in die Arbeit gestürzt und die Nachlassgeschichte geregelt. Die Trauer packte ich in die hinterste Schublade.

Wo sie ausgerechnet auf einer Freitreppe einer Eifler Burg wieder rauskam.

 

Zum Glück schlagen unsere Ängste meistens gar nicht so dramatisch zu.

Oft sind es die kleinen und größeren Ängste und Unsicherheiten, die sich aber auch gerne häufen und festsetzen, auch im Job:

  • Die Angst vor dem jährlichen Beurteilungsgespräch mit der Vorgesetzten.
  • Die Angst vor dem Auftritt auf der Vertriebstagung.
  • Die Angst, wenn sich in der Bäckerei die Kunden stauen und Du nicht mehr nachkommst.
  • Die Angst, wenn Du als KFZ-Lackierer nicht sauber genug arbeitest und der Kunde sich beschwert.
  • Die Angst vor der nachrückenden Konkurrenz im eigenen Unternehmen.
  • Die Angst, so langsam zu alt zu sein für Deinen Job.
  • Die Angst vor der Angst.

Gerade der letzte Punkt hat die Eigenschaft eines Bandwurmes. Er wird immer mehr…

 

Wie Du Deinen Ängsten in den unterschiedlichen Situationen nun Paroli bieten kannst, liest Du hier in „So entwickelst Du Deine Angst zur echten Chance (2)“.

 

Portrait2Welche Ängste beeinträchtigen Dein Jobleben? Welche Taktik hast Du Dir zurecht gelegt?

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