„Auf den Kanalinseln“
„Wo ist denn das??„
„Zwischen England und Frankreich.“
„Und was gibt es da so Interessantes?“
„Guernsey, Jersey, Herm, Sark, Alderney“
„Ach, Jersey und Guernsey, ja, das sagt mir was. Da soll es schön sein.“
„Da ist es herrlich. Herrlich verschroben. Und herrlich natürlich.“
„Das ist doch eine Steueroase. Und was gibt es sonst noch?“
„Französische Lebensart, englische Eigenheiten, traumhafte Natur, prächtige Häuser.“
„Und da kann man so richtig abschalten?“
„Und wie! Oder hast Du schon mal jemanden mit dem Rasenmäher zur Arbeit fahren sehen?“
49° 13′ N, 49° 27′ N, 2° 35′ W/49° 42′ N, 2° 12′ W/49° 26′ N, 2° 22′ W/49° 28′ N, 2° 27′ W
Nein, das ist kein Crash Deines Navis. Das sind die Koordinaten von Jersey, Guernsey, Alderney, Herm und Sark. Besser bekannt als Kanalinseln, auch Normannische Inseln genannt.
Kanalinseln heißen sie, weil sie im Ärmelkanal, zwischen Frankreich und England, liegen.
Normannische Inseln werden sie auch genannt, weil sie im Mittelalter zum Besitz des Herzogs der Normandie gehört haben.
Und wem gehören sie heute?
Das ist gar nicht so einfach.
Sie gehören zwar nicht zum Vereinigten Königreich England, sind aber Kronbesitz und in deren Funktion als Herzöge der Normandie direkt der englischen Krone unterstellt
Sie sind nicht Teil der EU, werden aber in Zoll- und Handelsfragen wie ein Teil der EU behandelt.
Und sie haben eine eigene Gesetzgebung, eigene Gerichtsbarkeit, eigene Währungen.
Kanalinseln – Reichlich Superlativen auf kleinstem Raum
Pflanzen, die es zum Teil nur hier gibt. Pflanzen, die aus Afrika, Australien oder anderen Teilen der Erde eingeflogen sind. Das milde Klima, in dem es fast nie Temperaturen unter null Grad gibt, macht es möglich.
Kein Autoverkehr. Auf Sark und Herm sind nur Pferdekutschen oder Traktoren zugelassen.
Die geringste Arbeitslosenquote der Welt, denn Wohnrecht auf Herm hat nur, wer auch Arbeit hat. Verliert man die Arbeit, muss man die Insel verlassen – auch im Alter.
Eine der kleinsten Schulen der Welt: Auf Herm gibt es 9 Kinder – in der ganzen Schule.
Neben Sark, auf Brecqhou, zwei der reichsten Menschen der Welt – die Barcley-Brüder.
Angeblich der zweithöchste Tidenhub der Welt – bis zu 13 Meter Unterschied zwischen Ebbe und Flut.
Paradiesisches Steuerrecht – keine Einkommensteuer, keine Mehrwertsteuer.
Ein äußerst gefährliches Segelrevier: Spitze Felsen und extreme Gezeitenströmungen machen das Segeln bei Nacht hier lebensgefährlich.
Die kleinste geweihte Kapelle der Welt: Little Chapel of Guernsey, ursprünglich als Nachbildung der Kapelle von Lourdes gedacht.
Englisch, französisch oder was?
Ganz einfach alles, aber wieder etwas anders.
Englisch ist die Hauptsprache. Ideal also, wenn man ohnhin seine Sprachkenntnisse auffrischen möchte. Hier braucht man keinen Kurs zu belegen, die Insulaner sprechen so individuell, dass man ganz einfach viel dazu lernt.
Daneben wird Französisch mit einem normannischen Touch gesprochen, das mit dem Schulfranzösisch nichts zu tun hat. Es hört sich ein bisschen an, wie englisch rückwärts gesprochen. Nicht-Insulaner werden es kaum verstehen.
Und Deutsch? Trotz langer Belagerung spielt die deutsche Sprache keine Rolle (habe sie aber auch nie vermisst).
Haute Cuisine oder fish and chips?
Die Mischung macht’s auch bei den Getränken: Ein Glas französischen Rotwein oder doch eher ein Ale?
Der französische Anteil überwiegt (zum Glück) ganz klar bei den Speisen und vertreibt oft frittierte Kost zugunsten sehr frischer und kreativer Küche.
Der französische Einschlag setzt sich auch im Ambiente und der Atmosphäre in den einfachen bis edlen Lokalitäten durch.
Nicht jedoch beim Frühstück. Hier hat die englische Krone das Zepter in der Hand.
Wer noch nie mit nüchternem Magen in einen Frühstücksraum kam, dessen Luft nur so von Heringsgeruch flirrte, kann einfach nicht mitreden. Hering auf Toast zum Frühstück vermittelt Dir garantiert einen nachhaltigen Eindruck der englischen Kultur. Vor allem, wenn Du es jeden Morgen genießt oder zumindest erschnüffelst…
Das Preis-/Leistungsverhältnis entspricht in allem der wirklich empfehlenswerten Jersey- oder Guernsey-Küche und ist je nach Lokalität absolut o.k., jedoch nicht günstig.
In den Hauptstädten der Inseln Jersey und Guernsey kann es im Angesicht der mehr oder weniger dezenten Yachten und Bankhäuser auch noch etwas gehobener zugehen.
Englisches Pfund, Euro oder Französische Franc?
Sooo einfach ist das nicht.
Auf Jersey bezahlst Du mit dem Jersey-Pfund (Jersey-Pound).
Auf Guernsey bezahlst Du mit dem Guernsey-Pfund (Guernsey-Pound).
Da Alderney, Herm und Sark zur Vogtei Guernsey gehören, bezahlt man auch hier mit dem Guernsey-Pound.
Diese eigenen Währungen setzt Du auf allen Kanalinseln ein – aber nur auf den Kanalinseln. Hast Du Deine Euronen also mal gegen diese Währungen eingetauscht, kannst Du sie auch nur noch auf den Inseln zurücktauschen.
Macht aber nichts, shoppen und schlemmen wird nämlich großgeschrieben – da bleibt eh nichts über.
Ach, übrigens kannst Du überall auch mit englischem Pfund bezahlen, ist aber nicht so cool.
Auto, Bus, Zug oder einfach zu Fuß?
Die Kanalinseln haben alle eine überschaubare Größe. Dazu passen dann auch die eher passgenauen Straßen – mit Linksverkehr natürlich. Und, wen wundert es, dass es ein eigenes Verkehrsrecht mit eigener Gerichtsbarkeit gibt.
Wer also mit dem Auto unterwegs sein möchte, sollte neben dem Linksverkehr den Kampf mit Bussen auf Abmessungen, die schon für ein Auto zu schmal scheinen, nicht scheuen.
Ich habe auf Guernsey (ca. 63km²) und Jersey (116km²) beste Erfahrungen zu Fuß oder mit dem Bus gemacht. Hier braucht man wirklich kein Auto. Im Gegenteil, es wäre schade um die herrlichen Eindrücke, die man verpassen würde.
Die Busse sind sehr empfehlenswert und kommen mit englischer Pünktlichkeit und ohne Drängelei.
Züge findet man nicht, es sei denn auf dem nördlichsten Eiland Alderney, das über die Alderney Railway verfügt.
Guernsey-TV und die Welt da drüben
Auf den Kanalinseln gibt es durchaus auch Partytime. Aber nur in den touristischen Hauptstädten der Inseln. Und auch eher gemäßigt.
Ansonsten ist abends das Pub angesagt – und TV. Ein echtes Highlight, denn je nach Unterkunft landest Du auf dem Canal-TV. Ein eigener TV-Kanal für die Kanalinseln. Und spätestens dann fühlst Du Dich wie auf einem anderen Planeten.
Interessiert die Menschen hier denn nicht, was auf der Welt passiert?
Naja, nicht, wenn es nicht die Kanalinseln und natürlich die englische Krone betrifft. Lass die da drüben mal machen, sagte mir ein Wirt. Ja, dann…
Viel wichtiger sind die Austern und Schnecken im Atlantik und die phantastische Natur.
Und natürlich die Geschichte. Da spielten die Deutschen nicht gerade eine gern gehörte Rolle. Daher ist es empfehlenswert, im Pub nicht unbedingt mit Politik anzufangen.
Wenn man die Historie hier ruhen lässt, ist das Miteinander mit den Insulanern traumhaft. Herzlich, bodenständig, gastfreundlich.
Sie sind immer ein bisschen anders als unsereins.
Entweder so, als wäre man 30 Jahre zurückversetzt.
Oder eher so wie in Saint Tropez. Sehen und gesehen werden zählt in den Yachthäfen.
Als Oase für Geldanleger mit über 2000 Sonnenstunden bieten die Kanalinseln auch für Leute, die schon alles haben, intensive Reize.
Hinschwimmen, segeln oder fliegen?
Segeln ist nicht ungefährlich aufgrund der enormen Gezeitenströmungen und der unter der Wasseroberfläche liegenden spitzen Felsen.
Schwimmen – naja, kalt und extrem gefährlich.
Fliegen: Während man noch vor ein paar Jahren nach London fliegen und dann umsteigen musste, gibt es heute Direktflüge. So kann man z.B. von Frankfurt/Main direkt nach Jersey oder Guernsey fliegen.
Fazit:
Es lohnt sich. In jedem Fall. Für ein verlängertes Wochenende. Für einen Urlaub. Für mehr.
Noch ein Tipp: Da es auf den Kanalinseln kaum Straßenbeleuchtung gibt, sieht man in den meist klaren Nächten einen sensationellen Sternenhimmel, wie sonst kaum irgendwo.
Zum Staunen, Filmen oder Fotografieren einfach unbeschreiblich.
Zum Abschalten vom Alltag perfekt. Probiere es aus!
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