Wo die Götter wohnen und die Sonne im Meer versinkt
Cabo de Sao Vicente, portugiesische Atlantikküste, 32 Grad. Ziemlich hoch hier oben. Die Brandung kracht mit Macht gegen die Felsen, es pfeift ein scharfer Wind. Über mir strahlend blauer Himmel, einige Möwen kreischen und lassen sich treiben.
Die Römer nannten dies hier Promontorium sacrum (Heiliges Vorgebirge). Für sie war es ein magischer Ort am südwestlichsten Zipfel des Festlandes, das wir heute Europa nennen.
Eine Ecke, wo die Götter wohnen und die Sonne im Meer versinkt.
Frei, frei, frei
Der Blick zieht weit über den Atlantik, einige Surfer haben sich nach draußen gewagt. Gewagt ist der richtige Ausdruck. Das ist bei diesem Wellengang und Windstärke 6-7 richtig gefährlich. Aber es interessiert sie wohl nicht die Bohne. Sie gleiten pfeilschnell dahin. Weiter draußen ist es ruhiger. Vergessen, wie riskant oder anstrengend es sein konnte. Diese Leute wollten leben und dabei viel erleben. Jeder Einzelne.
Irgendwo hier muss es gewesen sein, wo Vasco da Gama nach Indien aufgebrochen ist. Er war zwar kein Aussteiger, sondern eher ein vom König beauftragter Umsteiger. Aber was ihn erwartete oder wie lange es dauern sollte, wusste er auch nicht. Und er hat immerhin alles hinter sich gelassen, was ihm lieb war. Dazu gehört schon ein bisschen mehr Mut.
Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, dort zu stehen, wo dieser Portugiese und hunderte Mann Besatzung zu monatelangen Segelfahrten ins Ungewisse aufbrachen. Ob sie Angst hatten?
Wie eingefahren wir doch dagegen sind in unseren geordneten Verhältnissen.
Zwischen meinem Aussichtspunkt und dem Strand gibt es eine Wellblechbude. Naja, auf dem Schild steht „Cafe“. Also ein Wellblechcafe. Mit super leckerem Espresso und einer traumhaften Aussicht. Die Inhaber sind deutsche Aussteiger. Vor 10 Jahren hierhergekommen und einfach geblieben. Das geht so, denke ich mir?
Auf alten angerosteten Stühlen hab ich einen tollen Blick über den Atlantik, die Surfer, schneeweiße Schaumkronen und eine schier unendliche Weite. Ja, das geht so. An diesem Arbeitsplatz lässt es sich aushalten.
Immer mehr Wohnmobile und Autos positionieren sich wie jeden Nachmittag oben auf dem Klippenparkplatz, um genau diese Wahnsinns-Atmosphäre zu genießen. Und dann der Sonnenuntergang. Glutrot färbte er das Meer ein. Wie ein brennendes Holzscheit.
Wie einfach Menschen doch glücklich zu machen sind. Keine Designerklamotten. Kein zur Schau tragen der neuesten Statussymbole. Die Haare und alles, was nicht bombenfest verzurrt ist, wird gnadenlos vom Wind zerzaust. Sogar die I-Phones bleiben tief in den Taschen vergraben.
Das ist es, denke ich. Das ist Leben. Hätte man das doch für immer.
Love it or leave it
Wer träumt nicht davon, jeden Tag die Freiheit zu haben, aufzustehen, wann man möchte und zu lassen, was man nicht möchte. Die Sonne auf der Haut zu spüren, anstatt sie nur aus dem Büro zu sehen. Das Leben pur zu genießen. Raus aus der Tretmühle und weg mit den gesellschaftlichen Verpflichtungen. Raus aus dem selbstgeschaffenen Gefängnis. Denn das ist es letztendlich. Selbst erschaffen.
Niemand hat uns angewiesen, nach der Schule einen Beruf zu erlernen und jeden Tag arbeiten zu gehen. Zu studieren, viele Praktika zu machen.
Niemand hat uns gezwungen, das Leben auf abends und das Wochenende zu verschieben.
Ich weiß jetzt kommt Dein großer Aufschrei. Aber sieh es nüchtern. Niemand hat Dir befohlen, genau das zu tun, was Du heute tust. Das heißt aber auch, dass Du allein entscheidest, ob Du etwas daran änderst.
Du bist Sachbearbeiter in einer Versicherung? Würdest aber viel lieber einen Kiosk eröffnen, als Dein eigener Herr?
Du bist Physiotherapeutin in einer Klinik? Du wärst lieber Kindergärtnerin geworden oder Inhaberin einer eigenen Krabbelstube?
Du hast Psychologie studiert, würdest aber viel lieber ein Tattoostudio in den USA eröffnen?
DANN TU ES! Steig aus oder steig um. Love it or leave it.
„Das geht doch nicht. Ich muss doch Geld verdienen. Meine Familie. Mein Haus, mein Auto, meine Wohnung, mein Hund, meine Eltern, mein Studium, mein Ruf, mein Status, mein Lebensstandard,…“. Moment mal:Achtung Lawine (…Deine Einwände)
Und was ist mit Dir und Deinen Träumen? Wann willst Du mal wieder anfangen, richtig zu atmen? Ich meine nicht mit gepresstem Bauch und Druck auf der Brust. Ich meine so richtig einfach losgelassen durchatmen. Ohne Magenschmerzen, ohne Flattern vor der Präsentation, ohne Frust, wenn Du andere lachen siehst.
Mit viel Spaß an Herausforderungen, die Du Dir selbst aussuchst. Und nicht in erster Linie wegen Deines Einkommens, Deiner Wohnung, Deines Autos, Deines Status,…, sondern wegen Dir.
Bevor wir zu Deinem ganz persönlichen Check-up kommen…
Aussteigen/umsteigen – was bedeutet das eigentlich?
Hier ist meine persönliche Definition.
Aussteigen:
Bedeutet für mich, Du lässt Dein bisheriges Berufsleben komplett hinter Dir. Steigst aus den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Normen aus. Gehst völlig andere Wege und machst Dein Ding. Kein 9to5-Job mehr. Also dauerhaft anders leben oder nur auf Zeit, z.B. als Sabbatical.
Eine Imbissbude am Strand von Thailand?
Einen alten Bauernhof in Brandenburg kaufen und sich selbst versorgen?
36 Jahre Weltreise?
Alles kann, nichts muss.
Es muss auch nicht auswandern bedeuten.
Und auswandern bedeutet auch nicht zwingend aussteigen.
Aussteigen kannst Du an jedem Ort. Aus jedem Job.
Umsteigen:
Bedeutet für mich, Du steigst von einem frustrierten Jobdasein um zu einem erfüllten Berufsleben – mit Betonung auf leben.
Du suchst Dir vielleicht
einen neuen Arbeitgeber,
eine andere Branche,
lernst einen neuen Beruf,
qualifizierst Dich weiter,
übernimmst einen Job im Ausland,
machst Dich selbständig.
Oder Du verbesserst in Deinem bisherigen Job Dein Verhältnis zu Kollegen und Chefs.
Oder lernst, aktiv Deine Stärken zu nutzen und Deine Schwächen zu verbessern.
Oder…
Worst Case – Check up
Du weißt nicht, wie weit Du Dich verändern möchtest und wohin die Reise gehen soll?
Lass uns checken, wohin Du tendierst.
Was beschäftigt Dich, was könnte im schlimmsten Fall passieren?
So vieles, meinst Du? Du wüsstest gar nicht, womit Du anfangen sollst?
Lass uns Deinen Traum zerlegen
Sei ganz bei Dir, wenn Du darüber nachdenkst. Offen und ehrlich, ohne Dich gleich wieder einzuschränken. Keine Zäsur wie „Das geht doch sowieso nicht“ oder „Wovon soll ich das nur bezahlen? Das ist doch Spinnerei“.
Schau Dir noch mal die (portugiesische) Palme auf dem Foto an, atme tief durch und lass mal einen Moment so richtig los.
Und jetzt schreibe spontan, wirklich spontan aus dem Bauch heraus, Deine Antworten auf.
Was bedeuten nun folgende Punkte für Dich?
Was wäre damit, wenn Du aus- oder umsteigen würdest?
Zuhause ist schlicht dort, wo Du Dich wohl fühlst, wo Du aufgehoben bist. Das kann Dein Geburtsort sein, muss es aber nicht. Dazu gehören häufig die Familie, aber auch Freunde, Vereine, Deine Umgebung, etc.Zuhause (Haus, Heimat, Freunde, Tiere, Geburtsland…)
Welchen Ort oder welche Menschen nennst Du Dein Zuhause?
Was wäre damit, wenn Du aussteigen oder umsteigen würdest?
Wie würde sich das für Dich und Betroffene anfühlen?
Wäre es für Dich das wert?
Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Könntest Du Dir vorstellen, in einer anderen Stadt und Kultur ein Zuhause zu finden?
Welche Rahmenbedingungen müssten unbedingt erfüllt sein, um Dich zuhause zu fühlen?
Du hast einen Job. Du hast Kollegen, Vorgesetzte, Gewohnheiten, Regeln. Du bekommst Gehalt oder Lohn und einige Leistungen darüber hinaus. Hast Dir einen bestimmten Status erarbeitet. Kennst Dich in Deiner Branche bestens aus. Alles geordnet und so.Job (Karriere, Kollegen, Status, Gehalt, Arbeitgeber, Branche,…)
Was wäre, wenn Du den Job kündigen würdest und etwas völlig anderes machen würdest?
Was wäre, wenn Du Dich innerhalb der Branche oder sogar innerhalb Deines Unternehmens um bewerben würdest?
Was wäre, wenn Du Dich weiter qualifizieren würdest, um Karriere zu machen?
Wie wichtig ist Dir die Meinung Deiner Kollegen und Vorgesetzten?
Wie würdest Du mit Kritik, Neid und Unverständnis umgehen?
Was könnte Dich von Deinen Plänen abhalten?
Familie sind die Menschen, bei denen Du Dich geborgen fühlst. Das müssen keine Angehörigen sein, das können auch Seelenverwandte sein. Oder einfach Menschen, die Dich zum Lachen und Loslassen bringen.Familie (Partner, Kinder, Großeltern und Jeder, der für Dich Familie ist)
Was bedeutet für Dich Familie?
Wer ist Deine Familie? Eltern, Geschwister, Großeltern, sonstige Verwandte? Oder Freunde? Oder Lehrer, Vorgesetzte, Trainer? Oder jemand mit dem Du joggen gehst?
Welche Auswirkungen hätte ein Ausstieg oder Umstieg auf Deine familiären Bande?
Wen würdest Du in Deine Pläne einweihen oder gar um seine Meinung bitten?
Wen würdest Du mitnehmen wollen?
Was würdest Du erklären?
Wie würdest Du Kontakt halten?
Wie wichtig ist Dir die Meinung Deiner Familie?
Geld ist nicht alles, aber ohne Geld ist alles nichts, heißt es ja. Auch wenn Dir Geld nicht viel bedeutet, ist es wichtig, einen Überblick zu haben. Und realistisch einschätzen zu können, was man reduzieren oder zur Not noch einsetzen könnte. Was? Dir bedeutet Geld sogar sehr viel? Dann ist es wichtig zu erkennen, was ein vorübergehender oder dauernder Verlust an Einkommen so mit Dir macht. Nicht nur mit Deinem Konto.Finanzen (Einkommen, Erspartes, Altersvorsorge, KV, Arbeitslosengeld,…)
Wie viel Gehalt oder Lohn bekommst Du aktuell?
Hast Du Erspartes?
Welche Fixkosten hast Du monatlich?
Welche variablen Kosten kommen dazu?
Wie könntest Du Kosten senken oder Einkommen steigern, um Deinen Traum zu verwirklichen?
Hast Du eine Altersvorsorge?
Wie steht es mit einer Krankenversicherung – bist Du privat oder gesetzlich versichert?
Hast Du Anspruch auf Arbeitslosengeld? Wie lange und wie hoch wäre dieser?
Wie wichtig ist Dir Dein Geld wirklich? Warum?
Was würde es verändern, wenn Du weniger Geld zur Verfügung hättest?
Inwieweit wärst Du bereit, für mehr Geld Deine Träume zu vergessen?
Wie könntest Du künftig Deinen Lebensunterhalt sichern?
Wenn Du Dich beruflich verändern möchtest, wirst Du sehr schnell feststellen, dass das häufig mit Sprachkenntnissen zu tun hat. Wahrscheinlich sehr viel mehr, als Du erwartest. In jeder Branche, in jedem Job werden heute gute bis verhandlungssichere Kenntnisse in einer oder mehreren Sprachen verlangt. Und wenn Du aussteigen willst? Dann kommt es darauf an, wohin es Dich zieht.Sprachen (Muttersprache, Fremdsprachen, Lernfähigkeit,…)
Was ist Deine Muttersprache? Hast Du darin einen großen Wortschatz?
Welche Fremdsprachen hast Du gelernt – Schulkenntnisse, gute Kenntnisse, verhandlungssicher?
Wie lernfähig bist Du in Sachen Fremdsprachen?
Wie groß sind Deine Ängste vor den Schwierigkeiten, sich mit Fremden zu verständigen?
Lernst Du aktuell eine Fremdsprache? Warum bzw. warum nicht?
Bist Du bereit, vor dem Schritt zum aussteigen/umsteigen eine neue Fremdsprache zu erlernen?
Jede Veränderung bringt auch eine Veränderung Deiner Lebensumstände mit sich. Es ist vielleicht weniger Geld da. Deine Freunde und Kollegen haben kein Verständnis und ziehen sich zurück. Du vermisst den früher so selbstverständlichen Status. Und hast Angst vor dem Ungewissen.Ich-Paket (Lebensstandard, Ängste, Träume, Abhängigkeiten, …)
Wie sieht Dein Lebensstandard aktuell aus?
Welche Ansprüche an Lebensstandard, Komfort und Status hast Du für die Zukunft?
Wie wäre es für Dich, wenn das alles reduziert würde?
Stehst Du zu Deinen eigenen Träumen und Wünschen auch gegen Widerstände?
Wie abhängig bist Du von dem Feedback und der Stimmung anderer?
Wie leicht lässt Du Dich von den Meinungen und Ansichten anderer leiten?
Welche Ängste und Risiken beschäftigen Dich? Wie gehst Du mit ihnen um?
Wie würdest Du auf mehr Möglichkeiten reagieren, wenn Dir niemand vorgibt, was Du tun sollst?
Was würde es mit Dir machen, wenn Du nicht mehr Deiner gewohnten Gemeinschaft angehören würdest (Kollegen, Familie, Verein, Nachbarschaft,…)?
Aussteigen oder lieber umsteigen?
Hier kommt nun die Auswertung. Oder?
Nein. Nimm Deine Notizen erst morgen wieder in die Hand.Ist Dir dann noch etwas eingefallen? Ergänze es, aber streiche nichts.Denn es soll ja spontan sein. Nur dann bist es wirklich Du.
So, jetzt gibt es die Auswertung?
Nein, es gibt keine offiziell-wissenschaftlich fundierte Auswertung.
Dein Fazit ziehst Du selbst.
Gleich während Du die Fragen beantwortet hast.
Oder morgen.
Unter der Dusche.
Oder im Büro.
Oder in der S-Bahn.
Plötzlich wirst Du die Richtung glasklar wissen.
Da bin ich sicher.
Der Gedanke tut Dir dann einfach gut.
Und Du kannst tief durchatmen. Einfach so.
Dann ist es richtig. Dann weißt Du, ob Du wirklich aussteigen oder lieber umsteigen willst.
Achtung: Zweifel im Anmarsch
Kaum hast Du Deine Richtung gefunden, sitzt Sie Dir schon im Kopf. Die Zweifelsarmee. Glaub nicht, dass Du davon verschont bleibst. Jetzt ist die Frage, wie Du damit umgehst. Bist Du Dir Deiner Sache sicher? Oder lässt Du Dich umstimmen?
Zweifelchen: „Du kannst doch nicht alles wegwerfen. Bist Du verrückt? “
Du: „Ich will aber so gerne! Endlich wieder mal…“
Zweifelchen: „Papperlapapp. So ist das Leben nun mal nicht.“
Du: „Aber ich hab mir das genau überlegt.“
Zweifelchen: „Das wird doch nichts. Und dann? Hast Du alles verloren?“
Du: „Doch, das geht. Und ich will endlich wieder glücklich sein.“
Zweifelchen: „Glüüücklichhhhh. Das Leben ist nun mal kein Zuckerschlecken. Sei froh, dass Du einen Job hast und Dein Chef zufrieden mit Dir ist.“
Du: „Ja, vielleicht hast Du Recht. Es war nur ein fixer Traum.“
Zweifelchen: „Siehst Du. Sag ich doch.“
STOPP: Schiebe Deine Zweifel zur Tür raus. Denk dran: Da geht noch viel!
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